Predigt am 15. Sonntag im Jahreskreis B 2024

                                                                                        Mk 6,7-13        

14.07.2024

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Es gehört zu den wichtigen Bedürfnissen des Menschen, in Sicherheit zu leben. Dazu gehört unter anderem auch, für sich selbst sorgen zu können, abgesichert zu sein, nicht betteln zu müssen, selbstbestimmt zu leben, nicht abhängig zu sein. Dieses Bedürfnis des Menschen hat aber auch eine Kehrseite, die sich äußert durch das, was wir „Selbstgenügsamkeit“ nennen. Der Mensch genügt sich selbst. Er braucht niemand und nichts zur Verwirklichung seines Lebens. Es gibt für ihn dann nichts Schlimmeres, als abhängig zu sein, angewiesen zu sein, auf die Hilfe anderer warten zu müssen. Für solche Menschen ist es besonders schlimm, ein Pflegefall zu werden. Sie brauchen lange, um sich in die Hände der Pflegekräfte zu begeben. Diese Selbstgenügsamkeit ist freilich eine Illusion, dazu noch eine gefährliche, weil sie den Menschen beziehungsunfähig machen können. Und die Selbstgenügsamkeit ist weiterhin gefährlich, weil sie mit gewissen Maßstäben wie Solidarität, Nächstenliebe und Miteinanderteilen wenig anfangen können.

2. Wir haben eben im Evangelium gehört, dass Jesus seine Jünger in die Dörfer und Städte sendet mit dem Auftrag, „außer einem Wanderstab nichts mit auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.“ Es geht hierbei nicht um Bedürfnislosigkeit. Der Mensch hat nun einmal Bedürfnisse. Vielmehr geht es genau um das wichtige Bedürfnis nach Sicherheit. Denn wo immer die Jünger in ihrer äußerst dürftige Ausstattung hinkommen, sind sie ein Zeichen. Dass Jesus seine Jünger so arm ausgestattet sendet, ist ein Zeichen. Dieses Zeichen verweist auf das Neue, das mit Jesus gerade beginnt. Überall wo die Jünger hinkommen, finden sie Anhänger und Sympathisanten Jesu, also, wie es hier im Evangelium heißt, „Menschen des Friedens“, die sie in ihre Häuser aufnehmen und mit allem versorgen. Es entsteht eine neue Gemeinschaft. Die Jünger bleiben nicht allein. Um sie herum wächst das Neue, das zu begründen Jesus gekommen ist. Sie sind zwar mittellos, aber sie haben in der Gemeinschaft alles. Sie sind zwar arm, aber doch reich an Solidarität und Nächstenliebe, die ihnen widerfährt.

3. Es geht also nicht um Bedürfnislosigkeit, nicht um Armut oder Mittellosigkeit, sondern es geht darum, wie Menschen sich gegenseitig zum Reichtum werden können. Es geht darum, lebendig werden zu lassen, wie Christus sich das Volk Gottes als Zeichen gelungenen Lebens vorstellt. Es geht darum, wie ein Grundbedürfnis nach Sicherheit Erfüllung finden kann im Miteinander einer Gemeinschaft und im Teilen des Lebens. Es geht also nicht darum, die Bedürfnislosigkeit als Ideal hinzustellen, sondern die Bedürfnisse des Menschen ganz anders zu gestalten, nicht durch Selbstgenügsamkeit, sondern durch ein aufmerksames Miteinander. Die fehlende Ausrüstung der Jünger ist also ein hinweisendes Zeichen, wie sich Christus das Gottesvolk wünschte.

4. Und mal zum Schluss noch so ein Hinweis: Hätten wir mit dem Evangelium nicht ein Modell, wie auch eine Gesellschaft besser funktionieren könnte? Nicht eine extreme Selbstgenügsamkeit nach dem Motto: „Rette sich, wer kann“, sondern ein neues Miteinander, eine Solidarität füreinander, eine Aufmerksamkeit aufeinander. Vielleicht könnte auch so manche hohen Ausgaben im Sozialen oder im Pflegebereich gemildert werden, wenn Menschen mehr aufeinander achteten.

Franz Langstein