Apg 2,1-11
28.04.2023
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn wir uns vor Augen halten, wie Jesus gelebt hat, welche Andersartigkeit er gegenüber seinen Zeitgenossen an den Tag legte, wie ungewöhnlich er von Gott sprach, welche Liebe und Hingabe ihn bis in den Tod erfüllte, und dass dieses Leben bis heute nichts an Strahlkraft verloren hat, dann kommen wir zu der Frage: Wie war das möglich? Wieso hat und wieso konnte Jesus so leben, wie er gelebt hat? Und da liegt natürlich eine Antwort auf der Hand: Er war von etwas erfüllt. Etwas hat ihn geprägt. Er lebte aus einem Bewusstsein, das sein Handeln begründet. Denn das Sein, das Bewusstsein kommt vor dem Handeln. Wer er war, zeigt sein Tun. Sein Handeln also lässt uns fragen: Wer war Jesus? Was hat sein tiefstes Inneres geprägt? Und da berichten uns alle vier Evangelien von einer tiefen Ursprungserfahrung Jesu: Es ist seine Taufe im Jordan. Die Erfahrung Jesu wird in Bildern geschildert: Als er aus dem Wasser stieg, öffnete sich der Himmel und der Geist Gottes kam auf ihn herab und er hörte die Stimme vom Himmel her rufen: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir haben ich Gefallen gefunden.“ Das tiefste Sein Jesu hat er in der Taufe erfahren: er war der geliebte Sohn Gottes und der Himmel stand ihm offen, weil er der Sohn war, und nicht, weil er etwas leistete, und der Geist Gottes, die Liebe Gottes, kam auf ihn und erfüllte ihn. Nur aus dieser Ursprungserfahrung heraus können wir das Leben Jesu verstehen, seine Andersartigkeit verstehen. Er lebte ganz aus dieser Erfahrung.
2. Seine Art, wie er von Gott sprach, von einer Güte und Liebe und Klarheit. Da sind keine Moral und keine Gebotsethik, da ist kein politischer Eiferer, da ist noch nicht einmal eine geheimnisvolle und fast schon esoterische Mystik, da ist keine Unzufriedenheit mit Gott oder Anklage Gottes. Da ist eine Lebenspraxis, schlicht und ohne Aufsehen: Er lädt Menschen ein, einzutauchen in die Liebe Gottes („Kommt und seht!“). Er sitzt wie selbstverständlich mit Sündern und Zöllner zu Tisch, und er zieht sich zurück in die Einsamkeit, um mit seinem Gott allein zu sein. Es ist eine Natürlichkeit im Leben Jesu, nichts Überspanntes, nichts Fundamentalistisches, aber auch nichts Beliebiges, dass man sagen muss: Er lebte aus der Ursprungserfahrung, Gottes Sohn zu sein, nicht sein Knecht, was eher dem Lebensgefühl der Menschen damals entsprach. Diese Geistsendung in der Taufe hat er in seinem Leben sichtbar gemacht. Er hat nicht den Heiligen Geist sichtbar gemacht, sondern der Heilige Geist hat sich durch Jesus in seinen Wirkungen gezeigt.
3. Und damit ist etwas Wichtiges ausgedrückt. Der Geist Gottes selbst ist nicht sichtbar, aber an seinen Wirkungen kann man ihn erkennen.
4. Und nun kommen wir zur Apostelgeschichte. Es ist die Erzählung des Lukas, die vom Werden und Wirken der Kirche berichtet. Und auch hier, gleich zu Beginn der Apostelgeschichte, steht eine Ursprungserfahrung: Es ist wie bei Jesus die Sendung des Geistes Gottes. Wir haben es gerade gehört: Der Geist Gottes kommt auf die Jünger herab und diese Geistsendung prägt plötzlich das Leben, das Sein, das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein. Und daraus werden sie nun künftig leben und ihr Leben wird die Früchte des Heiligen Geistes zeitigen. Sie werden nicht den Heiligen Geist sichtbar machen, aber ihr Wirken bezeugt den Heiligen Geist. Ja, der Heilige Geist zeigt seine Kraft durch sie.
5. Wenn man so will, ist diese pfingstliche Geistsendung die Urerfahrung, die am Anfang der Kirche steht. Eine gewaltige Explosion, die bis heute nicht aufgehört hat, ihre Kraft zu entfalten, weil diese Geistsendung nicht einfach auf Pfingsten beschränkt bleibt, sondern immer wieder Menschen neu erfüllt mit seiner Kraft. Es ist die Besinnung auf diese Urerfahrung der Kirche und unseres eigenen Lebens, die wir in der Taufe gefeiert haben: „Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Gefallen gefunden“. Das gilt es so zu verinnerlichen, dass es unser Leben prägt. Neben all den Reformen, über die wir in der Kirche diskutieren und die gewiss notwendig sind, scheint es mir manchmal, dass wir diese geistliche Reform, diese tiefe Prägung durch diese Ursprungserfahrung vergessen haben.
6. (Wie oft jammern Christen über die Schicksale des Lebens und kommen nicht klar damit, obgleich sie doch geprägt sein müssen von der Zusage Christi: „Es wird euch kein Haar gekrümmt werden“. Wie oft resignieren Christen vor den großen Aufgaben in Kirche und Welt, statt mit der Zuversicht und der Hoffnung die Dinge anzugehen, weil der Geist Gottes uns dazu treibt. Wie oft benutzen Manche Gott für ein besseres Leben, für Gesundheit und Wohlergehen, gutes Wetter und die Deutsche Fußballmeisterschaft des je eigenen Lieblingsvereins, statt sich einer tiefen Liebesbeziehung mit ihm anheimzugeben. Wie oft beten wir: „Dein Reich komme“ und vergessen dabei, dass diese Bitte nun dann Erfüllung findet, wenn Gottes Geist durch uns und mit uns an Gottes Reich arbeitet.)
7. Pfingsten, das ist die gleiche Zusage an uns wie damals an Jesus bei seiner Taufe. Und welche Wirkung hat diese Ursprungserfahrung bei Jesus hinterlassen. Pfingsten, das ist die Ursprungserfahrung der Kirche und jedes Einzelnen, die wir in der Taufe gefeiert haben. Pfingsten ist das, was uns prägt und was unser Handeln bestimmt. Denn das Handeln kommt aus dem Sein.
Franz Langstein