Predigt am 2. Advent A26

Mt 3,1-12

07.12.2025

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Wenn man es so will, kann man sagen: Die Adventszeit ist auch irgendwie so eine Art Fantasiespiel. Da die Adventszeit vor der Weihnachtszeit liegt, sollen wir uns also hineinversetzen in die Zeit vor dem Kommen des Messias. Wir sollen so tun, als ob Christus noch nicht geboren wäre. Fantasiespiel. Gleichzeitig verbinden wir uns damit mit der Situation der Juden, die aufgrund der Verheißungen Gottes einen Messias erwarten. Die Rettung steht noch aus. Und wir verbinden uns mit den Vielen, die in Not sind, sei es in Kriegsgebieten, auf der Flucht, in Krankheit oder Armut: Auch sie erwarten eine Rettung und nicht wenige rufen nach Gott, dem Retter. Es ist die Erfahrung, wenn nichts und niemand mehr helfen kann, gibt es nur noch einen, vom der wir Rettung erwarten können.

2. Mit all diesen Menschen verbinden wir uns besonders in der Adventszeit. Wir spüren nach, dass Leben aus sich heraus immer gefährdet ist und dass so im Menschen eine Erwartung heranwächst, die nach einer letzten Erfüllung ruft. Haben wir mehr im Leben zu erwarten als nur das, was die Schicksale und die Lebensjahre für uns bereithalten?

3. So wird die Adventszeit zu einer Zeit der Erwartungen an Gott. Menschen rufen zu ihm, weil sie von ihm vieles erwarten und erhoffen. Aber was tun wir da? Ist das nicht auch vermessen? Wir, die wir Geschöpfe sind, richten Erwartungen an unseren Schöpfer? Wer sind wir, dass wir das tun dürften? Unterstellen wir Gott damit nicht, dass er hinter unseren Erwartungen noch zurückgeblieben ist? Er könnte, ja, er sollte mehr tun? „Wir erwarten von dir etwas, lieber Gott!“ Ist das nicht vermessen?

4. Es kommt drauf an, wie die Erwartungen geäußert werden. Ich kann es als Vorwurf tun: „Nun aber, du hast doch die Macht, zeige endlich mal, was du drauf hast. Hilf uns!“ Das wäre dann in der Tat vermessen. Oder richten wir unsere Erwartungen an ihn in einem großen Vertrauen. „Gott, du bist der Schöpfer und Ursprung des Lebens. Dir verdanken wir uns. Wir sind in deiner Sorge um uns und in deiner Liebe zu uns geborgen. Deshalb erwarten wir vertrauensvoll, dass du auch alles tun wirst für uns.“ Das ist eine Erwartung, die Gott alles zutraut und nicht eine, die Gott unterstellt, er könnte viel mehr tun, und es mit seiner Liebe und Sorge noch viel Luft nach oben.

5. Das ist die angemessene Haltung der adventlichen Erwartung. „Gott, du tust alles und wir dürfen alles erwarten“. Alles, das heißt: Nicht etwas, sondern wirklich alles, und nicht weniger. Das heißt: Alles, was nicht Gott ist, ist weniger als alles. Alles erwarten kann nur heißen: Gott selbst erwarten.

6. Und da steht heute Johannes der Täufer in der Wüste und verkündet: „Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ Menschen, die also wirklich in dieser adventlichen Erwartung leben, dass da jemand kommt, der uns mit der Liebe Gottes taufen wird, mit dem höchst möglich Denkbaren, solche Menschen bereiten sich vor und lassen sich von dieser Erwartung prägen: „Kehrt um“, sagt Johannes, „denn das Himmelreich ist nahe!“


Franz Langstein