30.01.2022

Predigten am 4. Sonntag im Jahreskreis C22

1 Kor 12,31 - 13,13

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Ich möchte heute mal als Grundlage die Lesung nehmen, die wir gehört haben: Das Hohelied der Liebe, wie es auch genannt wird. „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht…“ Ich denke nämlich, dass uns hier etwas gesagt ist, das für die Situation, in der wir mehr und mehr als Kirche hineingeraten, sehr bedeutsam sein kann. Paulus hatte um Jahr 50/51 herum in Korinth eine ansehnliche Gemeinde gegründet. Wir haben es am letzten Sonntag gehört, im 1. Korintherbrief, wie Paulus seine Gemeinde verstanden wissen wollte: Wie ein Leib, der aus vielen Gliedern besteht. Jeder hat seine Aufgabe, seine Fähigkeiten, seine Stärken und Charismen und jeder bringt diese ein für das Ganze, wie eben die vielen Glieder einen Leib bilden. Paulus reist ab und hielt sich etwa ab dem Jahr 54 auf der anderen Seite des Ägäischen Meeres auf, in Ephesus. Dort erhielt er plötzlich schlimme Nachrichten aus Korinth. Der Frieden und die Eintracht in der Gemeinde waren dahin. Es kam zu Spaltungen. So schreibt Paulus einen Brief an die Korinther, unseren 1. Korintherbrief.


2. Und wir können sehr rasch dem Brief entnehmen, was wohl in der Gemeinde von Korinth passiert ist. Da gibt es die einen, die wohl rhetorisch gut drauf sind, die hervorragend reden oder predigen können, aber die sich damit brüsten, die ihre Talente zur Selbstdarstellung benutzen. Ihnen sagt Paulus: „Wenn ich in den Sprachen der Engel und der Menschen redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke“. Oder es gab andere Gemeindemitglieder, die stark waren im Glauben, in der Gotteserkenntnis, eingetaucht in das Geheimnis Gottes. Auch die sind gefährdet, sich damit zu brüsten, die Gemeinden als Schaubühne ihrer Darstellungssehnsucht zu nutzen. Ihnen sagt Paulus: „Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnisse hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts“. Und dann gab es noch die Asketen, für die das ganze Leben eine einzige Fastenzeit ist und damit ungeheuren Eindruck machen. „Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts“. Paulus verfolgt also ein gutes Gemeindekonzept. Jeder soll sich einbringen mit dem, was er kann und hat. Aber die Gefahr ist, dass die Menschen die Gemeinde als Bühne benutzen, um sich selbst zu exponieren oder um das eigene Talent als das bessere zu präsentieren. Jeder hielt sich wohl für was Besseres; es ging lieblos zu. Deshalb sagt Paulus: „… wenn ich die Liebe nicht hätte“. Denn: „Die Liebe ist langmütig; die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach, sie freut sich nicht über das Unrecht.“


3. Das ist die Gefahr: Man will sich mit seinen Fähigkeiten nicht dem Ganzen unterordnen, nicht dienen, sondern herrschen. Ein Gemeindemodell wie das des Paulus, das ohne Leitung auskommt, produziert ein Machtvakuum, in das hinein anderen dann vorstoßen. Das hierarchische Modell einer klaren Leitungsstruktur erschien da als das praktikablere. Es hat sich dann durchgesetzt. Später hat dann die Hierarchie alle Macht an sich gerissen, so dass die Talente in den Gemeinden nicht mehr gefragt waren. Die Kleriker waren nun so machtvoll, dass sie sogar das ewige Heil in den Händen hielten. Der Priester war heilsnotwendig. Nun sprach es sich herum, nach dem Zweiten Vaticanum, dass man auch ohne Sakramentenempfang in den Himmel kommen könnte. Der Klerikalismus, der aus der Heilsnotwendigkeit seine Bedeutung sog, verlor die Luft, die ihn aufpumpte. Heute erleben wir einen vollkommenen Niedergang des Priesternachwuches. Eine gewisse Zeit werden wir uns über Wasser halten durch Fusionen von Gemeinden. Aber das ist nicht die Lösung. Könnten es nicht sein, dass wir im paulinischen Gedanken von der Kirche als Leib mit vielen Gliedern eine Lösung fänden, wie Kirche neu strukturiert werden müsste?


4. Es wird wohl die Zukunft der christlichen Gemeinden in den kleinen Gemeinschaften liegen. Liebevoll, achtsam, jeder bringt sich ein für das Ganze, mehr dienen als herrschen. Geschwisterliche Gottesdienstformen, caritatives Engagement, überzeugendes Dasein und überzeugende Verkündigung. Große Ausstrahlungskraft. „Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war.“ 2000 Jahre Kirchengeschichte. Was ist das, wenn es die Kirche vielleicht noch 100 000 Jahre geben könnte? Vielleicht stecken wir noch in den Kinderkrankheiten. Vielleicht wird die Kirche erst später erwachsen.

Franz Langstein

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