23.01.2022
Lk 1,1-4; 4,14-21
Liebe Schwestern und Brüder!
1. Wir haben eben den Anfang des Lukasevangeliums gehört. Und wie viele Anfänge kündet auch dieser bereits vom Anliegen des Autors. Was ist ihm wichtig? Was ist der Sinn seines Werkes? Was will er ausdrücken? Von daher lohnt sich tatsächlich mal ein Blick auf diesen Lukasprolog. Wir müssen allerdings davon ausgehen, dass diese Einleitung nicht nur dem Lukasevangelium gilt, sondern seinem „Doppelwerk“, wie wir sagen. Lukas gilt auch als Autor der Apostelgeschichte. Sein Evangelium berichtet vom Leben Jesu, seinen Taten und sein Handeln. Die Apostelgeschichte berichtet von der Zeit nach Jesus, von der Zeit, wie Kirche geworden ist und wie Kirche das Werk Jesu weiterführt. All das müssen wir mitbedenken, wenn wir also den Anfang des Lukasevangeliums hören:
2. „Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat“, so fängt Lukas an. Und schon hier, in diesem ersten Satz, haben wir ein Wort, das ein bestimmtes Geschichtsverständnis bei Lukas offenbart: „unter uns ereignet und erfüllt hat“. Erfüllt hat, im Sinne von „etwas Unfertiges zum Abschluss bringen“. Damit offenbart Lukas ein bestimmtes Geschichtsverständnis: Ereignet und erfüllt hat: Die Ereignisse, von denen Lukas berichtet, sind Erfüllungen. Geschichte ist für ihn nicht einfach etwas Profanes, rein Innerweltliches, eine Aneinanderreihung von mehr oder weniger zufälligen Ereignissen. Geschichte ist für ihn Erfüllung. Konkret: Die Verheißungen, die Gott seinem Volk gegeben hat und gibt, werden sich erfüllen. So schließt Jesus seine erste Predigt in der Synagoge ab, nachdem er aus dem Propheten Jesaja vorgelesen hat: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“. Geschichte ist für Lukas also ein Voranschreiten zu einer immer größeren Erfüllung. Dazu gehört auch die Apostelgeschichte. Lukas versucht, in den geschichtlichen Ereignissen, die er in der Apostelgeschichte beschreibt, die Heilsgeschichte Gottes zu erfassen. Es ist nie alles nur blinder Zufall; immer steht dahinter ein rätselhaftes Voranschreiten zu einem größeren Heil. Dazu gehört für Lukas auch das Kreuz Christi. Und dabei geht Lukas sehr sorgfältig vor:
3. „Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufasen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen.“ Lukas, ein Christ der dritten Generation nach Jesus, befragt also die Tradition, und geht ihr sorgfältig nach. Er will in dem Überlieferten Spuren Gottes erblicken. Er will sorgfältig diesen Spuren nachgehen. Wo ist Geschichte Heilsgeschichte?
4. Nach dem lukanischen Verständnis verläuft die Geschichte nicht zufällig. In ihr verwirklichen sich vielmehr die Pläne Gottes. Deshalb teilt Lukas die Geschichte in verschiedene Phasen ein. Der Verheißungszeit folgt die Erfüllungszeit, die bis zur Wiederkunft Christi reicht. Und in dieser großen Zeitspanne gehört nicht nur das Evangelium, sondern auch die Apostelgeschichte, die Geschichte der Kirche.
5. Wir tun uns vielleicht etwas schwer mit diesem Geschichtsverständnis: Ist wirklich alles Heilsgeschichte? Ist alles Plan Gottes? Gerade wenn man in die Kirchengeschichte schaut, die oft eine Geschichte der Macht, der Kriege und wie jetzt jüngst aufgezeigt, eine Geschichte der Herrschaft über Menschen war bis hin zum Missbrauch. Oder in die weltliche Geschichte mit ihren Kriegen und Katastrophen. Es ist schwer, angesichts dessen von Heilsgeschichte zu sprechen. Aber auf der anderen Seite: Ist nicht gerade die Rede von der Heilsgeschichte ein Wort der Hoffnung für die, die Opfer wurden, die auf den Schattenseiten des Lebens sich befinden? Es ist nicht alles einfach nur Schicksal, das die Menschen einteilt in „Pech gehabt“ und „Glück gehabt“. Eine reine Ansammlung von Schicksalen und Ereignisse wäre brutal und hoffnungslos. Und ist das Christentum nicht so kühn, dass es sagt, dass selbst im Kreuz Heil liegt? Man schrickt davor zurück. Man kann es kaum aussprechen. Aber die Hoffnung, dass Geschichte auf ein allumfassendes Heil zu läuft, kann helfen, ein Leben zu ertragen.
6. Oder schauen wir auf unser eigenes Leben: Kann man in der Rückschau nicht doch auch sagen: Wer weiß, wozu das alles gut war? Und haben wir nicht in der Erwartung der Zukunft die Hoffnung: es möge sich erfüllen, was wir Glück, Zufriedenheit, Frieden, Gerechtigkeit nennen? Unterstellen wir also nicht automatisch unserer Lebensgeschichte eine Heilsgeschichte? Zumindest in der Hoffnung? Vielleicht müssten wir es wie Lukas machen: Allem sorgfältig nachgehen und Spuren Gottes im Leben zu entdecken.
Franz Langstein
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