20.03.2022
Ex 3,1-8a.13-15
Liebe Schwestern und Brüder!
1. Ich erinnere mich an einen Gottesdienst, den ich auf einen meiner sommerlichen Radtouren im Urlaub einmal mitfeierte. Ich weiß nicht mehr, wo das war. Jedenfalls sagte der Pfarrer gleich am Beginn mit einem gewissen Pathos: „Gott ist da!“ Das kam für mich sehr unvermittelt, gleich zu Beginn mit so einem Satz konfrontiert zu werden. Und irgendwie fühlte ich mich nicht wohl dabei. Ich habe eine Weile darüber nachgedacht: Was stimmt hier nicht? Und ich glaube, es waren mehrere Dinge, die nicht passten: Da stand also dieser Satz nun im Kirchenraum: „Gott ist da!“ Aber das war nun die Frage: Stand der Satz im Kirchenraum oder stand Gottes Gegenwart im Kirchenraum? Wurden wir mit einem Satz konfrontiert oder mit der Anwesenheit Gottes konfrontiert? Wären wir mit der Wirklichkeit Gottes konfrontiert worden, genügt dann einfach so ein Satz? Oder müssten man nicht an ganz anderen Zeichen oder Haltungen erkennen, dass Gott wirklich gegenwärtig ist? So ein Satz kann nämlich furchtbar banal wirken: Da ist die Orgel, das ist das Sakramentshäuschen, da sind die Ministranten, da ist auch Gott. Er ist einer unter vielen. Und wenn es wirklich darum ginge, mit diesem Satz die Gegenwart Gottes uns in Erinnerung zu rufen, also wirklich darum ginge, dass wir mit Gott konfrontiert werden sollten, müssten dann nicht so ein Satz voll Ehrfurcht ausgesprochen werden? Und müsste man nicht erschüttert sein? Müsste man nicht dies an Sprache und Haltung spüren?
2. Und jetzt sind wir schon mitten in der heutigen ersten Lesung, die Lesung vom brennenden Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt. Mose sieht dieses Phänomen in der Wüste, er will dorthin gehen und sich diese außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Und dann hört Mose die Stimme aus dem brennenden Dornbusch: „Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ Dann heißt: „Da verhüllte Mose sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen“.
3. Daran erkennt man die Gegenwart Gottes: An Haltungen, an Ausdrucksformen der Ehrfurcht, an Zeichen und Riten. Diese haben wir allzu leichtfertig wegrationalisiert. Hermann Kurzke, Literaturwissenschaftler und katholischer Theologe, schrieb einmal von seinem Bedauern, dass es ihm als Vater nicht mehr gelungen ist, seinen Kindern die einfachen Symbole des Glaubens weiterzugeben: „Es scheint die Väter nicht mehr zu geben, von denen jene selbstverständliche und unhinterfragbare Gewissheit ausgeht, die meine Jugend geprägt hat: Ich konnte meinen Kindern nur noch meine Gebrochenheit vorleben. Sie kennen nicht die zerreißende Wehmut, die mich oft ergreift, wenn ich Kirchenglocken höre. Die kühle Kraft des Weihwassers erschließt sich nur dem Demütigen, der auf das moderne Gewäsch vom Aberglauben verzichtet. Das Kreuzzeichen bannt Dämonen, es baut einen schützenden Konkon um dich auf. Nicht von Zauberei ist die Rede, sondern von Riten und Symbolen, deren Kraft sich nur entfaltet im diskussionslosen Vollzug“. Zu erwähnen wäre auch noch die Kniebeuge, die wir machen, bevor wir in die Kirchenbank gehen, eine Geste der Ehrfurcht vor der Gegenwart Gottes. An Zeichen und Riten, an Haltungen und der Art unseres Sprechens wird etwas deutlich von der Gegenwart Gottes. Die Gegenwart Gottes ruft eben verschiedene Reaktionen und Haltungen hervor. Haltungen der Ehrfurcht.
4. Ich habe manchmal das Gefühl, dass in der Kirche Gott zu sehr verniedlicht oder verharmlost wurde, wenn man zum Beispiel gesagt hat: „Der Mensch ist Partner Gottes“, oder einen fast schon kumpelhaften Umgang mit Gott pflegt. Mose „fürchtete sich, Gott anzuschauen. Damit ist nicht die Angst gemeint, sondern die Ehrfurcht. „Ehrfurcht“ nämlich ist die Furcht, jemanden in seiner Ehre und Erhabenheit zu verletzen und sich ihm gegenüber unangemessen zu verhalten.
5. Ob also Gott als Da-Seiender erfahren wird, hängt nicht davon ab, ob da jemand behauptet: „Gott ist da!“, sondern davon, welche Atmosphäre in einem Raum herrscht, welche Stille und Ruhe, welche Gesten und Haltungen, welche Riten und Symbole vollzogen werden und wie sie vollzogen werden – und das nicht gekünstelt, sondern aus einer Ergriffenheit, erst all das lässt uns ahnen, dass Gott da ist und dass sein Name: „Ich bin, der ich da bin für euch“ tatsächlich auch heute noch gilt. Und jetzt gilt.
Franz Langstein
Katholisches Pfarramt
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