16.04.2022
Der Weges Jesu von Palmsonntag bis Ostern
Liebe Schwestern und Brüder!
1. Wir gehen in diesem Jahr bewusst den Weg Christi mit von Palmsonntag über den Karfreitag bis Ostern. Und diesen Weg mit Christus gehen bedeutet zu allererst: Wir gehen den Weg des Menschen von Palmsonntag über Karfreitag bis Ostern. Wir gehen unseren Weg, der ein Weg ist von Palmsonntag über Karfreitag bis Ostern. Oder nach anders ausgedrückt: Nicht wir gehen den Weg Christi von Palmsonntag bis Ostern, sondern Christus geht den menschlichen Weg, unseren Weg, Palmsonntag durch die Abgründe des Karfreitags bis Ostern. Wir gehen also unsren Weg, den Weg des Menschen.
2. Unser Weg startet am Palmsonntag, dem Einzug Jesu in Jerusalem. Die Menschen haben ihn jubelnd begleitet und empfangen. Wir haben gesehen, dass Jesus durch seine Botschaft und sein Leben uralte Sehnsüchte der Menschen geweckt hat. Die Sehnsucht nach Frieden, Gerechtigkeit, Liebe und Geborgenheit, ein Niederreißen der Grenzen, auch der religiösen Grenzen, keine Angst mehr vor Gott, sondern ein Gott, der annimmt und Geborgenheit und Trost schenkt. Die Botschaft Jesu war so ganz anders und weckte in den Menschen neu die Hoffnung, dass jetzt Gott selbst eingreifen werde. Jesus sprach auch vom Reich Gottes. Und sein Einzug in Jerusalem auf einem Esel bestätigte die alte Verheißung, nach der der neue König des Friedens auf einem Esel in Jerusalem einziehen werde. Sollte Gott nun endlich in Jesus seine Verheißungen erfüllen?
3. Und jetzt kommt der Karfreitag. Alle Hoffnungen und Sehnsüchte werden aufs Brutalste zerstört. Am Kreuz wird jede Hoffnung und Sehnsucht nach dem Reich Gottes zerschmettert. Wieder keine Erfüllung der Verheißungen. Wieder kein Reich Gottes. Wieder siegt das Böse über das Gute. Wieder greift Gott nicht ein. Der Karfreitag ist für alle, die auf Christus hofften, die endlich Gott am Werk sahen und hofften, dass er seine Verheißungen erfüllt, eine abgrundtiefe Katastrophe. Der Karfreitag ist zuallererst eine Gotteskrise schlimmsten Ausmaßes. Dies zeigt sich daran, dass die Menge, die am Palmsonntag noch Jesus zujubelte, am Kreuz nicht mehr da ist. Sogar seine Jünger sind allesamt geflohen. Was muss das für sie, die ganz auf Jesus hofften als den Bringer des Gottesreiches, für eine Enttäuschung gewesen sein. Und Judas bringt sich gar um. Vielleicht wollte er mit dem Verrat Jesus provozieren, doch nun endlich sein Reich zu bringen. Es kam aber nicht. Hier sind wir nun am abgrundtiefsten Punkt des Karfreitags. Ich glaube, wir können uns kaum ausmalen, was das für einen religiösen Menschen heißt, was es heißt, zutiefst von Gott enttäuscht zu werden. Denn wenn der Mensch auf nichts mehr hoffen kann, sondern allein nur noch auf Gott, aber auch diese Hoffnung betrogen wird, was bleibt dann noch? Wenn Gott der letzte Grund unserer Hoffnung ist, weil alle andere Gründe bereits zerbrochen sind, und wenn dieser letzte Grund nun auch zerbricht, was bleibt dann noch? Und hat nicht Jesus auch diese bittere Gottesenttäuschung erlebt? „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
4. Ich sagte ja, dass nicht wir mit Christus durch die Karwoche gehen, sondern dass er mit uns durch unsere Abgründe geht. Der Weg Christi ist unser Weg. Wir müssen in diesen Tagen nicht lange suchen nach den Karfreitagen dieser Erde. Hier zerbrechen nicht nur Hoffnungen, hier zerbricht auch ein Gottvertrauen.
5. Und dabei geht es nicht nur darum, dass jemand verzweifelt angesichts der Not und des Elends, es geht immer auch darum, dass der letzte Grund unserer Hoffnung, nämlich Gott, zerbricht. Da hat jemand auf Gott gehofft hat, er möge Frieden und Schutz bringen, aber Gott zeigt sich nicht, obgleich er doch der letzte Grund unserer Hoffnung sein sollte. Er aber liefert keine Gründe, auf ihn zu hoffen. Da ist jemand, der fest überzeugt war, dass es gut ist, sich für das Gute einzusetzen und er engagiert sich in entsprechenden Bereichen, aber er muss erfahren, dass das Böse mal wieder über das Gute gesiegt hat und dass das Gute keine Chance hat gegen das Böse. Resigniert gibt er auf. Alle Rede vom Sieg der Liebe über den Tod klingen für ihn nur noch hohl oder als billige Vertröstung. Wie die Jünger flieht er fortan vor Christus. Da ist eine Frau, unheilbar krank. Sie hat gehört, dass es in Lourdes immer wieder Krankenheilungen gibt. Es ist ihre letzte Hoffnung. Sie kratzt ihr Geld zusammen und fährt nach Lourdes. Dort hängen überall Krücken mit der Aufschrift: Maria hat geholfen. Sie schöpft Hoffnung. Ihr aber wird nicht geholfen. Verzweifelt kehrt sie heim. Der letzte Grund ihrer Hoffnung, Gott, erweist sich als Null und Nichtig. Sie nimmt sich das Leben. Wie Judas vielleicht auch aus tiefster Enttäuschung sich das Leben nahm.
6. Ich glaube, die religiöse Enttäuschung des Karfreitags ist das Schlimmste. Der Karfreitag zerstört alle Hoffnungen auf Gott. Selbst bei Christus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“. Der Karfreitag zerstört das vertraute Gottesbild. Der Karfreitag verrät unseren Glauben. Der Karfreitag nimmt uns Gott, er nimmt auch Christus seinen Gott. Der Karfreitag nimmt unsere Glaubenssicherheit. Der Karfreitag nimmt den Männern ihren Gott weg, die mit Gott Macht ausüben und auf seine Herrschaft setzen; der Karfreitag nimmt den Feministinnen ihren Gott weg, die Gott zur Frau machen, die uns allzeit mit ihrem mütterlichen Ideal Wärme und Geborgenheit schenkt und uns streichelt und sagt: Es ist doch alles gut. Der Karfreitag zerstört Gottesbilder. Ja, Der Karfreitag ist zuallererst eine Gotteskrise schlimmsten Ausmaßes. Der Karfreitag ist der Verlust Gottes. Bleibt vielleicht ein Trost? Nein, nicht Ostern. Ostern ist jetzt kein Trost. Das müssen wir noch warten. Wir dürfen von Ostern noch nichts wissen Wir müssen lernen, die absolute Hoffnungslosigkeit und Gottesenttäuschung des Karfreitags auszuhalten als eine Möglichkeit menschlicher Existenz. Nein, der Trost ist vielleicht ein anderer: Christus ist selbst unseren Weg durch den Karfreitag gegangen. Auch wenn wir ihn nicht spüren, aber er wäre da. In der Tat: Nicht wir gehen mit Christus vom Palmsonntag durch den Karfreitag, er geht mit uns.
Franz Langstein
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