13.03.2022

Predigt am 2. Fastensonntag C22

Lk 9, 28b-36

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Sie alle kennen ja bestimmt auch das Märchen „Der Froschkönig“. Dieses gibt es ja in zwei Versionen: In der einen Version wirft die Prinzessin den Frosch angeekelt an die Wand, und er verwandelt sich anschließend zu einem Prinzen; in der anderen Version, die viel kinderfreundlicher ist und die ich als Kind gehört habe, küsst die Prinzessin den Frosch. Dadurch wird er im wahrsten Sinn des Wortes wachgeküsst und verwandelt sich augenblicklich in einen Prinzen.


2. Ist das nicht ein wunderschönes Bild für eine Wirklichkeit unseres Lebens? Da kommt es zu einer zärtlichen Berührung, zu einem Kuss, und der Kuss hat die Kraft der Verwandlung. Das wahre Wesen des Frosches wurde wachgeküsst. Das Märchen will wohl sagen, dass hinter allem, selbst noch so Froschhaftem, ein Geheimnis steckt. Joseph von Eichendorff dichtete einmal: „Schläft ein Lied in allen Dingen…“ Dieses Lied, dieses Geheimnis hinter allem, muss nur wachgeküsst werden. Ein Berg ist mehr als eine Anhäufung von Steinen und Felsen, ein Sonnenuntergang ist mehr als nur das reine Faktum, dass sich der Horizont der Erde über die Sonnenscheibe hinwegdreht. Der Sternenhimmel ist mehr als nur ein Blick in einen kalten Weltraum mit einigen weit entfernten Sterne, eine Rose ist mehr als ein biologisches Phänomen. Und das eucharistische Brot ist mehr als nur Nahrungsmittel. In den Dingen ist mehr enthalten als wir äußerlich wahrnehmen. Die Dinge sind gleichsam Symbole von etwas, was größer ist als sie selbst. Und manchmal ahnen wir in den Dingen eine größere Wirklichkeit. Gertrud von le Fort schrieb einmal: „Alles Sichtbare ist nur die äußere Gestalt, in die sich ein Unsichtbares hüllt“. Auf einer Spruchkarte, die sich auf meinem Schreibtisch befindet, steht der Satz. „Genau in dem Moment, als die Raupe dachte, die Welt geht unter, wurde sie zum Schmetterling“. Vielleicht müsste diese größere Wirklichkeit einfach nur wachgeküsst werden, d.h. mit anderen Augen betrachtet werden als nur mit den rein diesseitigen und wissenschaftlichen Augen, sondern mit liebevollen und offenen Augen.


3. Aber genau das scheint das Problem: Wer ahnt schon in einem Frosch den Prinzen, in einer Raupe den Schmetterling, in der äußeren Gestalt eine größere Wirklichkeit? Und gilt das nicht auch für uns Menschen? Sind auch wir mehr als wir an uns wahrnehmen? Aber wer ahnt das schon, angesichts von Leid, Schicksal, Kriege, Krankheit, Hinfälligkeit, Vergeblichkeit, Enttäuschungen, Hoffnungslosigkeiten. Diese Dinge machen uns klein, dass manche es verlernt haben, mehr zu sehen. Sind wir nicht wie der Frosch, in dem Großes schlummert? Wer küsst uns wach, damit das Geheimnis in uns offenbar wird?


4. Und da sind wir schon mitten im Evangelium von der Verklärung Christi auf dem Berg. Es ist zeitlich angesiedelt in der Nähe des Todes Jesu. Er sprach bereits mit seinen Jüngern über seinen Tod, den er vorausahnte. Der Schwung Jesu war weg. Die Anfangserfolge seiner Verkündigung waren verblasst. Viele hatten ihn wieder verlassen, wenn sie überhaupt mit ganzem Herzen bei ihm waren oder doch wohl nur deshalb, weil sie etwas von ihm bekamen oder etwas von ihm wollten. Das Reich Gottes, wie es Jesus kommen sah und verkündete, schien weit weg. Der Widerstand der religiösen Führer gegen ihn wurde übermächtig. Sie hatten schon längst beschlossen, ihn bei nächster Gelegenheit zu fassen und hinzurichten. Hatte Jesus vielleicht sogar Selbstzweifel? War er wirklich der, der gekommen war, das Reich Gottes aufzurichten? Nicht das Reich Gottes schien die Zukunft zu sein, sondern das Kreuz und der Tod.


5. Und da geht Jesus auf einen Berg, wie so oft, um zu beten. Er sucht den Kontakt mit Gott, seinem Vater. Und er wird im Gebet wachgeküsst. In der Berührung mit der größeren Wirklichkeit erfährt Jesus, wer er selbst ist. Er erfährt, dass er mehr ist als das, was er äußerlich an sich wahrnimmt. Sein Gewand wir strahlend weiß und alles ist in Licht gehüllt. Und eine Stimme spricht: „Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“ Die Herrlichkeit Gottes offenbart sich in Christus.


6. Das gilt auch für uns. Wer wir wirklich sind, wird oft verdeckt durch die Mickrigkeit unseres Daseins. So viel Dunkles macht es schwer, daran zu glauben, dass auch in uns eine göttliche Wirklichkeit lebt, die uns zu Kindern Gottes macht und das auch uns der Satz gilt, den wir bereits in der Taufe hörten: „Du bist mein geliebtes Kind, an dem ich Gefallen gefunden habe“. Wir schwer fällt es zu glauben, dass Gott an mir Gefallen haben könnte? Ja, wir sind manchmal wie Frösche, in denen der Prinz schlummert. Wer küsst uns wach? Es ist wie bei Jesus die Begegnung mit Gott: Im Gebet, im Gottesdienst, vor allem auch in der Erfahrung der Liebe eines anderen Menschen lassen uns den Wert unseres Lebens erahnen. Auch in uns schlummert eine größere Wirklichkeit, die unser Menschsein übersteigt. Möge Gott uns doch immer wieder auch wachküssen, damit das Unsichtbare in uns sichtbare Gestalt gewinnt.

Franz Langstein

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