02.03.2022
Mt 6,1-6.16-18
Liebe Schwestern und Brüder!
1. In allen Religionen gibt es das Fasten als spirituelle religiöse Handlung. Auch fern von Religion gibt es Fasten, Diät, Verzicht auf Rauchen, Alkohol oder ein bewussteres Leben. Es scheint in der Tat so zu sein, dass das Fastenwollen zutiefst etwas mit unserem Leben zu tun hat. Denn: Wie erfahren wir unser Leben? Es gibt manchmal so große Momente, in denen wir unser Leben als Geschenk erfahren. Wir stehen dankbar vor der Unbegreiflichkeit, sein zu dürfen. Wir erfahren unser Leben als zutiefst kostbar und wertvoll. Dabei erfahren wir unser Leben nicht als von uns aus gemacht, sondern als uns gegeben oder gar geschenkt. Wir sind nicht unser eigener Ursprung, sondern wir haben uns selbst empfangen. Man kann dann sagen: Ich bin mir aufgegeben, ich bin mir selbst anvertraut, ich trage Verantwortung für mich, ich bin mir selbst Aufgabe. Das ist ein Lebensgefühl, dass manche Menschen erfüllt. Ich bin mir selbst Aufgabe. Das Leben ist kostbar und schön, es ist einmalig, nicht wiederholbar, begrenzt, also nutze es, mach was draus. Ich glaube, aus dieser Erfahrung erwächst der Sinn des Fastens. Es geht beim Fasten nicht zuerst um einen Verzicht um des Verzichts willen, es geht um das Leben, es geht um die Verantwortung für mein Leben, es geht darum, weil ich erfahren habe, dass Leben Geschenk und Aufgabe ist, dieses Geschenk recht zu nutzen, den Reichtum des Lebens zu erfahren. Es kann auch um Verzicht gehen, aber um immer um des Lebens willen.
2. Und da spüren doch manche Menschen oft Einseitigkeiten, die verhindern, dass man das Leben in seiner Fülle und Schönheit erfahren kann, das vieles brach liegt, unbeachtet.
· Ich denke da an manche Menschen, oft Jugendliche, die so viel Zeit mit dem Handy verbringen. Was die alles versäumen! Was da alles draußen auf sie warten würde! Mal mit Freunden die Natur erleben, ihre Schönheit zu bewundern. Die Erfahrung so vieler Wunder in der Natur.
· Oder ich denke an Menschen, die gefangen sind in schlechten Gewohnheiten und Abhängigkeiten: Alkohol, Fernseher, Internet, Karrieredenken, Besitzstreben. Ist es nicht schade, dieses so einmalige und aufgegebene und geschenkte Leben dermaßen an Götzen zu binden und unfrei zu werden? Was versäumen diese Menschen im Leben? Jesus ruft zum Fasten auf, das heißt zu einer wirklichen Befreiung des Lebens aus der Umklammerung schlechter Gewohnheiten.
· Ich denke an Menschen, die den ganzen Tag Lärm, Musik, Fernseher um sich haben müssen. Was versäumen diese Menschen an Reichtum der Stille und der Ruhe, die Erfahrung eines inneren zur Ruhe Kommens. „Wenn du betest, geh in deine Kammer und schließ die Tür zu“, sagt Jesus im heutigen Evangelium. Den Reichtum des Betens in der Stille zu erfahren, den Kontakt suchen mit dem Ewigen. In der Stille auf das Göttliche lauschen. Vertraute Zwiesprache halten mit Gott. Dieses nicht als Last, sondern als Bereicherung des Lebens erfahren. Manche sagen, dass sie im Leben nichts auslassen wollen. Merkwürdig: Gerade diesen Kontakt mit dem Ewigen lassen sie dann aus.
· Ich denke an Menschen, die sich verrannt haben in Egoismus, in eitler Selbstbetrachtung und narzisstischer Selbstverliebtheit. Was versäumen diese Menschen alles: Das Erfahrung echter Hingabe, das Erleben wirklicher Gemeinschaft und Solidarität, ein Miteinander, das nicht dazu dient, dass ich mich wieder mal als „toller Hecht“ erfahren kann, sondern dass, weil es ein gutes Miteinander ist, einfach nur schön ist. Jesus sagt: „Wenn du Almosen gibst, lass es nicht vor dir her posaunen“. Also lebe eine schlichte und selbstverständliche Achtsamkeit und Solidarität, sei gemeinschaftsfähig, kümmere dich um andere.
3. Darum geht es also in der Fastenzeit: Das Leben in seiner Größe und Weite zu erfahren. Das Leben als Aufgabe und Geschenk zu nutzen. Die Wunder, die im Leben auf uns warten, nicht zu versäumen: Wie schön kann ein Naturerleben sein? Mit dem Fernglas mal den Sternenhimmel bereisen. Das Erleben der Musik von Mozart, eine Sinfonie von Bruckner, eine Oper von Wagner, Gemälde von Rembrandt oder ein Gemälde von Raffael. Ein Hobby ausprobieren oder vertiefen. Spontan mal wegzufahren. Für die vielen kleinen Wunder und Schönheiten frei zu werden. Was versäumen da die Menschen alles in ihrem doch so kurzem Leben. Verzicht heißt da also: Auf etwas verzichten, um Neues zu erleben. Zu verzichten, um frei zu werden für die Wunder des Lebens. Und dann dankbar zu werden. Dankbar gegenüber dem Schöpfer.
4. Und dann steht da heute der Satz, wenn wir uns die Asche aufs Haupt streuen lassen: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zu Staub zurückkehren wirst“. Bedenke, dass dein Leben Aufgabe und Geschenk ist. Und es ist begrenzt. Schade, wenn du dann im Leben so vieles Schönes versäumt hast, was für dich bereit gelegen hätte. Die Fastenzeit ist so gesehen eine Zeit, die zum Leben befreien soll.
Franz Langstein
Katholisches Pfarramt
St. Johannes Evangelist
Ritterstraße 12
35037 Marburg
Tel. 06421-91390
Fax: 06421-913914
Montag - Freitag: 8.00 - 12.00 Uhr
Montag, Mittwoch & Donnerstag:
13.30 - 17.30 Uhr
Samstag | 17.30 h | Vorabendmesse alle 1., 3. und 5. Samstag im Monat in St. Jakobus, Wenkbach |
Sonntag | 11.00 h | Heilige Messe |
Sonntag | 11.00 h | Kinderwortgottesdienst im Kirchensälchen, am 2. und 4. Sonntag im Monat |
Freitag | 18.00 h | Beichtgelegenheit |
Freitag | 18.30 h | Heilige Messe |
© St. Johannes, Marburg