01.05.2022
Liebe Schwestern und Brüder!
1. Das heutige Evangelium können wir nur richtig verstehen, wenn wir es im Kontext der Zeit sehen, in der es geschrieben wurde. Es war um das Jahr 100 herum. Das Petrusamt als Leitungsamt der Kirche begann sich zu etablieren oder war schon etabliert. Beim heutigen Evangelium fällt auf, wie sehr Petrus im Mittelpunkt steht. Als Jesus als Auferstandene unerkannt am Ufer steht, und ein Jünger ihn erkennt und sagt: „Es ist der Herr“, war es Petrus, der sofort ins Wasser sprang, um Jesus entgegen zu schwimmen. Aber, und genau das war das Problem: war das Leitungsamt, das sich auf den Jünger Petrus beruft, überhaupt zu rechtfertigen? Man wusste doch, wie eklatant Petrus am Karfreitag versagt hatte und Jesus dreimal verleugnet hatte. „Ich kenne ihn nicht“, sagte Petrus, als er gefragt wurde, ob er nicht auch ein Jünger Jesu sei. Wie also kann sich ein Leitungsamt der Kirche auf Petrus berufen?
2. Es gibt so kleine Notizen, die Zusammenhänge herstellen. So heißt es im heutigen Evangelium, als die Jünger das Netz voller Fische an Land gezogen hatten: „Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot.“ Erinnern wir uns, wo das Kohlenfeuer kurz vorher schon einmal vorkam? Es war im Hof des Hohepriesters. „Petrus aber stand am Kohlenfeuer und wärmte sich“. Da wurde er von einer Magd erkannt, die ihn fragte, ob er nicht auch einer seiner Jünger sei. Das Kohlenfeuer ist die Erinnerung an den Ort, an dem Petrus Jesus verleugnet hatte. Da sind wir also schon mitten im Thema: Es geht um das Leitungsamt der Kirche, das sich auf Petrus beruft. Der aber hat Jesus verleugnet, ist weggelaufen und hat im entscheidenden Augenblick keine Leitung wahrgenommen.
3. Und da setzt nun die dreimalige Frage Jesu an. So wie Petrus Jesus dreimal verleugnet hat, so fragt nun Jesus den Petrus dreimal: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ Ich möchte jetzt mit Ihnen diese Passage vertiefen. Was passiert hier eigentlich?
4. Ganz allgemein: Es konnte doch nicht nach Karfreitag so ohne Weiteres ein Leitungsamt eingeführt werden, das sich auf Petrus beruft. Zwischen Jesus und Petrus stand etwas. Da war noch Klärungsbedarf. Da musste etwas ausgeräumt werden. Da musste etwas verziehen werden. Aber was musste geklärt werden? Was stand zwischen Petrus und Jesus? Und warum fragt Jesus dreimal: „Liebst du mich?“
5. Wer fragt denn so was: „Liebst du mich?“ oder „hast du mich noch gern?“ Es fragt doch der, der etwas Schlimmes gemacht hat und der sich nur sorgt, dass er deshalb nicht mehr geliebt wird. „Hast du mich jetzt noch gern?“ Eigentlich müsste doch Petrus diese Frage stellen, nachdem er Jesus verleugnet hatte. „Du, Jesus, hast du mich noch gern?“ Aber Jesus fragt: „Simon, liebst du mich?“ Warum?
6. Jesus war sich dessen wohl bewusst, dass er seinen Jünger Untragbares zugemutet hatte. Er hat sich als Messias ausgegeben, hatte Hoffnung auf das Reich Gottes geschürt, die Jünger haben wegen ihm alles verlassen – und dann kam der Karfreitag. Nichts mehr mit Messias, mit Reich Gottes. Die Jünger fühlten sich von Jesus betrogen. Petrus hatte recht, wenn er sagt: „Ich kenne ihn nicht“. Diesen Jesus, der da am Kreuz stirbt, den kennt er nicht. Er kennt den, der Menschen hinter sich versammelt, der im Namen Gottes spricht, durch den Gott selbst spürbar wurde, der Wunder wirkt, aber den, der wie ein Verbrecher hingerichtet wird – nein, den kennt er nicht. Jesus hat seinen Jüngern eine tiefe Enttäuschung zugemutet. Er hat ihnen einen großen Schmerz zugefügt, gerade Petrus, der sonst immer so treu an der Seite Jesu stand.
7. Und jetzt fragt Jesus den Petrus: „Liebst du mich?“ Liebst du mich nach all dem, was ich dir zugemutet habe und was ich dir angetan habe? Jesus selbst also eröffnet dem Petrus eine Möglichkeit eines neuen Miteinanders. Petrus kann nicht anders als „Ja, ich liebe dich“ sagen. Und zwar jetzt ganz anders als er es vorher hätte sagen können. Denn Petrus ist durch eine tiefe Enttäuschung gegangen, deshalb kann er jetzt viel fester und bestimmter sagen: „Ich liebe dich“. Jetzt erst hat Petrus die Festigkeit, die es ihm erlaubt, ein Leitungsamt zu übernehmen. Jetzt war Petrus so gefestigt, dass Jesus ihm wieder etwas zumuten kann: in Leitungsamt in der Kirche muss durch Enttäuschungen hindurch, auch durch Gottesenttäuschungen, um gefestigt zu sein. Das gilt ja auch für viele zwischenmenschliche Beziehungen. Jetzt ist Petrus so gefestigt, dass Jesus ihm wieder etwas zumuten kann: „Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wir dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.“ Jesus deutete damit seine Lebenshingabe um des Glaubens willen an, sein Martyrium an.
8. Im Übrigen, und das möchte ich auch noch erwähnen, kann es uns genauso ergehen, dass uns im Leben Dinge zugemutet werden, die wir kaum verkraften, und dass wir dann von Gott zutiefst enttäuscht sind. Aber auch dann würde uns Jesus fragen: „Liebst du mich trotzdem noch?“
Franz Langstein
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