24.12.2020

Predigt in der Heiligen Nacht 2020

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Wir feiern Weihnachten in einer außergewöhnlichen Zeit. Ein Virus hat die Menschheit im Griff und zwingt zu besonderen Maßnahmen. Schon seit Wochen fragen sich viele: Wie werden wir wohl dieses Jahr Weihnachten feiern können? Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmärkte, Familie, um den Weihnachtsbaum versammelt, Essen gehen, festliche Gottesdienste usw. Wir das alles möglich sein? Die Corona-Maßnahmen wurden im November nochmals verschärft, auch – um Weihnachten zu retten. In der Tat hatte ich mitunter den Eindruck, der Mensch wolle jetzt Weihnachten retten. Und wir in der Kirche wollen irgendwie Weihnachten retten mit besonderen Gottesdiensten und Internet.


2. Aber wir brauchen es doch gar nicht. Nicht wir retten Weihnachten, sondern Weihnachten rettet uns. Und Weihnachten wird umso mehr als rettend erfahren, je mehr der Mensch seine Verletzlichkeit erfährt, sein Ausgeliefertsein an die Schicksalsmächte es Lebens. Je dunkler es wird, je stiller es wird, weil der Mensch sich den Rätseln seines Lebens stellt, er also still wird, weil er nicht vorschnell antworten kann, umso mehr wird die ureigenste Botschaft von Weihnachten sein Herz erreichen. Vielleicht sind wir deshalb in diesem Jahr, in dem so vieles dunkel ist und still geworden ist, näher an Weihnachten dran als in all den Jahren vorher. Nein, nicht wir retten Weihnachten – Weihnachten rettet uns.


3. Weihnachten hat schon viel schlimmere Zeiten überlebt: Pest, Hungersnöte, zwei Weltkriege, den 30jährigen Krieg usw. Und immer sind Menschen an Weihnachten aufgerichtet worden. Im ersten Weltkrieg standen sich Deutsche und Engländer im Grabenkrieg monatelang eingebuddelt gegenüber. Die Front war erstarrt. Aber am Heiligabend kamen die Verfeindeten aus ihren Gräben gekrochen und feierten Weihnachten gemeinsam. Für einen kurzen Augenblick leuchtete da eine Rettung auf.


4. Ob wir also mit fünf oder zehn Leuten aus wieviel Haushalten auch immer Weihnachten feiern, ob wir am ersten Weihnachtstag Gänse essen gehen können, ob wir Oma oder Opa besuchen können, ist schön, aber nicht notwendig. Was wirklich zählt sind Geschichten und Erzählungen von einem Licht im Dunkeln, einem Kind in der Krippe. Was wirklich zählt sind Menschen, die zusammenkommen, um Ihrer Ahnung Ausdruck zu verleihen, dass es da mehr gibt als das Irdische, Natürliche, Schicksale. Und dass das, was es da mehr gibt, sich in dieser Geschichte ausdrückt. (Wir sind hier draußen unter freiem Himmel. Da oben, so wissen wir, gibt es vielmehr, als wir je wissen können und erahnen können. Und das Dunkel und die Stille über uns bergen uns in einem großen kosmischen Kreislauf). Ahnung einer viel tieferen Geborgenheit als wir je ahnen könnten. Gott hat unsere Natur, unser so gebrechliches Menschsein mit sich selbst verbunden, so dass wir nie mehr aus der Gemeinschaft mit der göttlichen Fülle getrennt werden können. Im Tod wird es sichtbar werden. Hier bleibt es verborgen in Symbolen, Zeichen, Geschichten, Hoffnungen, Ahnungen.


5. Wir sind hier wie die Hirten auf dem Feld: In dunkler Nacht, unter dem Sternhimmel, der uns symbolisch von fernen Lichtern kündet, kündet also von einer letzten lichtvollen Erfüllung. Immer schon war der Sternenhimmel auch Symbol des Unendlichen, Ewigen, Göttlichen. So grüßen uns die fernen Lichter. Sie gelten uns. Und die Hirten, im Dunkeln versammelt, hören die Stimme: „Fürchtet euch nicht“. Fürchtet euch nicht, denn Gott ist herabgestiegen zu euch. „Ihr werdet ein Kindlein finden, in Windeln gewickelt. Das wird euch zum Zeichen sein.“ Ein Zeichen: Ein Kind in Windeln gewickelt? Grasser kann man die Entblößung Gottes, die Selbstentäußerung Gottes nicht schildern. Weil wir es ihm wert sind.


6. Bleiben wir noch im Kosmischen: Da hat sich nach etwa 9 Milliarden kosmischer Evolution die Sonne mit der Erde gebildet. Noch einmal vier Milliarden Jahre mussten vergehen, bis der Mensch auf Erden erschien. Er fragt nun plötzlich nach Gott oder den Göttern. Er fragt nach etwas über ihm, will das unter ihm nicht ausreicht. Er sehnt sich nach mehr. Ein solches Wesen erscheint nach 13 Milliarden Jahren Schöpfung. Wir sehr hat sich wohl Gott nach einem solchen Wesen selbst gesehnt. Und nun ist es da: Der Mensch und fragt nach Gott, denkt Gott, spricht „Gott“ aus. Wie könnte Gott ein solches Wesen, das sich endlich nach ihm sehnt, nicht unendlich beschenken und beglücken, sondern ihm sofort entgegeneilen und sich ihm schenken. Weihnachten: Geweihte Nacht. Unsere Nacht ist geweiht durch Gottes Gegenwart. Stille Nacht. Lauschen wir in die Stille, wie die Hirten unter dem Sternenhimmel: „Fürchtet euch nicht“. Unser Leben ist viel tiefer geborgen in Gott als wir ahnen.

Franz Langstein

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Freitag 18.00 h Beichtgelegenheit
Freitag 18.30 h Heilige Messe