24.05.2020
Joh 17,1-11a
Liebe Schwestern und Brüder!
1. Was für ein Evangelium! Schwer zu verstehen, was genau Johannes hier ausdrücken wollte. Aber eigenartig: Es ist gerade diese irgendwie fremde und entrückte Sprache, die in uns ein Gefühl wachruft, das uns aufhorchen lässt: Könnte es sich nicht irgendwie um Zeitloses handeln, was hier gesagt sein will? Es sind keine Worte, die auf eine konkrete Situation hinweisen, sondern es sind Worte, die etwas zeitlos Gültiges, ja Endgültiges, zum Ausdruck bringen möchten. Hier rückt uns verbal eine Wirklichkeit ins Bewusstsein, die über allem und über unser Leben steht und ein für alle Mal für unser Leben gilt.
2. Allein sechs Mal kommt in diesem kurzen Evangelium das Wort „Verherrlichen“ oder „Herrlichkeit“ vor: „Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht.“ „Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war.“ Für Herrlichkeit steht im Griechischen das Wort „Doxa“. Wir müssen alle Facetten des Wortes mal auf uns wirken lassen: „Herrlichkeit, Herrschaft, Majestät, Erhabenheit, Glanz, Schönheit, Pracht, Macht, Heiligkeit, Anspruch“. Das alles schwingt in dem Wort „Doxa“ mit.
3. Wenn man das so hört, könnte man meinen, es ginge hier um „Glanz und Gloria“. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen, dass da natürlich der Mensch gefährdet ist, „Glanz und Gloria“ zur Schau zu stellen, ja, dass ihm das zum sinnstiftenden Ziel werden kann und dass er dadurch die Anbetung anderer Menschen erhaschen will. Gerade Diktatoren habe den Hang, angebetet und verherrlicht zu werden. Wehe, man kritisiert einen Diktator. Ich will dies nicht weiter ausführen. Beispiele aus Geschichte und Gegenwart ließen sich zu Hauf aufzählen. Ich will aber erwähnen, dass dieses Denken von „Glanz und Gloria“ auch religiös eine Gefährdung für den Menschen darstellt. Nämlich, dass der Mensch glaubt, er müsse diese menschliche Sicht von „Glanz und Gloria“ nun auch bei Gott vermuten. Also Gott sei jemand, der wert darauflegt, angebetet, verehrt und ständig gelobpreist zu werden. Gott rückt in die Nähe eines kleinen Diktators, der beleidigt ist, wenn man ihm nicht die nötige Ehre erweist. Nein, das heutige Evangelium lehrt uns etwas anderes:
4. Nicht der Mensch verherrlicht Gott, sondern Gott verherrlicht sich selbst. „Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war“. Die Verherrlichung Gottes ist zunächst keine Sache des Menschen, sondern eine Sache Gottes selbst. Und was für eine Sache!
5. Das Johannes-Evangelium spannt einen ganz weiten Bogen: „Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war“. Bevor die Welt war: Das ist die Herrlichkeit Gottes selbst, die von Ewigkeit her immer schon in Gott ist. Und: „Verherrliche du mich jetzt!“ Jesus spricht hier offensichtlich von einer Herrlichkeit, die er jetzt noch nicht hat, die er aber von Gott erwartet. „Verherrliche du mich jetzt“. Mit „jetzt verherrlichen“ ist gemeint die Verherrlichung im Kreuzestod, der unmittelbar bevorsteht. Also es geht, um es kurz zu fassen, um eine ganz große Spanne: Es geht um die Herrlichkeit Gottes im Himmel und um die noch ausstehende Verherrlichung Gottes im Kreuzestod Christi. Oder nochmal anders gesagt: Es geht um eine Herrlichkeit Gottes, die ausgespannt ist zwischen dem Himmel bei Gott und der Hölle auf Erden. Es geht also genau um diese Doxa, um diese Herrschaft, diese Majestät, diese Macht, diesen Glanz in allen Bereichen des Lebens: Ob im Himmel oder in der Hölle. Nichts soll mehr dem Machtbereich Gottes entzogen sein. In Christus geht Gott diesen Weg der Entäußerung. Der Abstand zwischen Gott und Hölle wird voll ausgemessen. Aber so ist alles in den Machtbereich Gottes zurückgeholt. Es gibt keine Hölle mehr, keinen Tod mehr, keine Leid mehr, außerhalb der Doxa, der Macht Gottes. Auch wenn wir das so oft nicht spüren und uns das oft genug an den Rand des Glaubenkönnens führt. Aber selbst das Kreuz kann zur Epiphanie Gottes werden.
6. Gott verherrlicht sich also selbst. In einer solchen Spannweite der Extreme von Himmel und Hölle wird die Welt neu geschaffen. „Alles, was mein ist, ist dein“, sagt Jesus. Das Kreuz, das ich trage werde, ist dein, Vater. „Und was dein ist, ist mein“, und deine Herrlichkeit, Vater, ist meine.
7. Und so kommt das Johannes-Evangelium zu dem Schluss: „Das ist das ewige Leben: dich, den wahren Gott zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“. Das heißt: Diese große Tat Gottes dankend anzunehmen als gültig für das eigene Leben. Nicht ich verherrliche Gott, sondern er hat sich selbst verherrlicht bis in die Abgründe meiner eigenen Existenz hinein. Himmel und Hölle sind nicht mehr außerhalb seines Machtbereichs.
Franz Langstein
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