23.02.2020

Predigt am 7. Sonntag im Jahreskreis A 20

Mt 5,38-48

Liebe Schwestern und Brüder!

1. „Liebt Eure Feinde“. „Halte dem, der dich auf die eine Wange schlägt, auch noch die andre hin“. Solche Sätze hörten wir gerade. Und man soll denen Gutes tun und die lieben, die einem nicht Gutes tun. Und das heute in einem Kontext, den wir mitbringen: Die Erschütterung über den rechtsterroristischen Anschlag in Hanau mit vielen unschuldigen Toten. Da schießt einer aus Hass auf die Fremden gezielt auf Menschen, tötet sie – und ausgerechnet heute hören wir solche Sätze: „Liebt eure Feinde“, „halte auch die andre Wange hin“. Man kann solche Sätze in diesem Kontext sehen wie man will: Vielleicht sagt jemand: Wie wohltuend doch diese Sätze sind. Sätze aus einer anderen Welt, aus einer Welt, in der Menschen dem Hass mit Vergebung und der Gewalt mit Liebe begegnen. Aber meine Reaktion war das erstmal nicht. Als ich davon in den Medien erfuhr, was da in Hanau passiert ist, und mich tags darauf auf die Predigt vorbereitete und so einen Satz lese, dass man da noch die andere Wange hinhalten soll, da empfand ich das fast zynisch. Da schießt einer auf Menschen….. ja, was heißt das jetzt: die andere Wange hinhalten? Und als ich davon hörte, dass in den sozialen Medien die Tat von einigen bejubelt wurde, so wie damals beim Mord an den Regierungspräsidenten Lübke, da vergeht es mir, solchen Typen auch noch die andere Wange hinzuhalten. Da empfinde ich ganz anders. Und wenn dann solche Kommentare der Menschenverachtung in den sozialen Medien veröffentlicht werden, dann frage ich mich: Was ist aus unserem Land geworden? Wieso ist so etwas möglich? Und ich habe darauf keine Antwort. Ich merke nur, wie eine Wut in mir hochsteigt, wie sich Ohnmacht paart mit Vergeltungswünschen.

 

2. Und dann merke, wie vielleicht so ein Satz wie „die Feinde lieben und die andere Wange hinhalten“ plötzlich doch eine Bedeutung bekommen könnten. Vielleicht in dem Sinn, dass sie eine Warnung darstellen: Lasst euch nicht anstecken vom Bösen. Werdet nicht wie die, die hassen. Lasst euch nicht die Gewalt aufzwingen. Passt auf, den Gewalt und Hass sind ansteckend. Zu schnell lässt man sich verleiten zu Vergeltung und Rache und schon hat man sich gemein gemacht mit denen, mit denen man eigentlich nichts gemein haben möchte und man hat sich auf die niedrige Stufe derer gestellt, mit denen man eigentlich nicht auf einer Stufe stehen möchte. Vielleicht will Jesus genau davor warnen: Spielt das Spiel mit der Gewalt nicht mit. Denn dann schaukelt sich die Gewalt hoch. „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“, sagt Jesus an anderer Stelle.

 

3. Ja, man könnte das natürlich auch missverstehen und jetzt denken: „Sollen wir denn immer klein beigeben? Muss ich mich in meine Opferrolle fügen und das Kreuz tragen?“ Ja, in der Tat hat man das heutige Evangelium genau in diese Richtung missverstanden und gepredigt: „Besser Leid zu erdulden und zu ertragen als sich zu wehren.“ „Wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt“, solche Sätze haben sich tief eingebrannt ins Christliche. Friedrich Nietzsche, der für solche Sätze sehr sensibel war, hat solche Opfergedanken als Verbrechen am Leben gebrandmarkt.

 

4. In der Tat geht es hier aber gerade nicht um ein Sich-fügen in die Opferrolle, die mit Blick auf das Kreuz geduldig zu ertragen wäre, es geht genau um das Gegenteil: Es geht darum, eben nicht in die Opferrolle zu verfallen. Lass dich nicht zum Opfer machen. Lass nicht zu, dass ein anderer Macht und Gewalt über dein Leben gewinnt. Die Opferrolle ist ja nicht nur eine entwürdigende Rolle in der Ohnmacht, die man erfährt; sie ist auch eine entwürdigende Rolle in der Macht, die man dadurch gewinnt. Manche spielen die Opferrolle sehr gern: „Mir geht es so schlecht und mir ist so viel Ungerechtes widerfahren usw.“ Jetzt müssen nämlich alle Mitleid haben und alle müssen sich jetzt um mich kümmern und alle bekommen jetzt ein schlechtes Gewissen. Und dann reisen die Leute von Talkshow zu Talkshow und freuen sich über den Applaus, den sie bekommen. Das ohnmächtige Opfer kann seine Opferrolle feiern und dadurch viel Macht über andere ausüben. Aber auch diese Opferrolle ist entwürdigend, vielleicht noch entwürdigender, weil sie unehrlich ist. „Werdet nicht Opfer“, so könnte man die Sätze Jesu von der Feindesliebe auch verstehen. Behaltet die Initiative des Handelns. Der Limburger Altbischof Kamphaus hat in einer Predigt dazu gesagt: „Jesus ermuntert zu einer ungewöhnlichen, neuen Initiative, die die Situation verändert. Dem, der mich schlägt, sage ich. Schlag ruhig noch einmal, mich bekommst du nicht zu deinem Feind! Ich mache das alte Spiel nicht mehr mit, ich steig aus. Ich lass mich nicht ein auf deine Ebene.“ Eben: Nicht Opfer sein, nicht ohnmächtig werden, sondern kreativ und initiativ bleiben.

 

5. Wünschen wir das für die Menschen, die von diesem Anschlag in Hanau besonders betroffen sind: Dass sie sich nicht anstecken lassen vom Bösen, dass sie nicht heruntergezogen werden auf die primitive Ebene derer, die sich entblöden, ihre niedrige Gesinnung und Dummheit in sozialen Medien zu präsentieren, dass sie sich nicht die Haltung des Hasses aufzwingen lassen. Und wünschen wir ihnen, dass sich aus der Opferrolle wieder herauskommen, dass sie sich nicht einigeln in unsrer Gesellschaft, dass sie Solidarität und echte Nächstenliebe erfahren. Vielleicht sind diese Sätze des heutigen Evangeliums wirklich gute Sätze für diese Menschen.

Franz Langstein

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