17.05.2020

Predigt zum 6. Ostersonnntag 2020

Joh 14,16-20

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Wir hörten einen Ausschnitt aus den sogenannten Abschiedsreden Jesu, wie sie uns Johannes in seinem Evangelium überliefert hat. Diese Reden sind wie eine einzige Meditation darüber, wer Jesus war. Zurzeit, als das Johannesevangelium verfasst wurde, um die 1. Jahrhundertwende, hatte bereits ein theologisches Nachsinnen über Christus begonnen. Wer war Jesus eigentlich? Es ist, um es kurz zu fassen, das wirklich Unerhörte, das noch nie Gehörte, dass sich in Christus Gott gezeigt hat, und zwar als authentischer Ausdruck Gottes, als Offenbarung Gottes: „Das Wort ist Fleisch geworden“, sagt dasselbe Johannes-Evangelium. Oder: „Der einzige, der am Herzen des Vaters ruht, hat Kunde gebracht“. Kunde aus dem Herzen und vom Herzen Gottes. Und diese Kunde hat einen Gott gezeigt, von dem man vorher nie so hätten denken dürfen: Ein Gott, der den Weg der Erniedrigung und der Entäußerung geht, um der Liebe zu den Menschen willen. Am deutlichsten zeigt es sich bei der Fußwaschung: Jesus wäscht seinen Jünger die Füße als Zeichen dafür, wie Gott zu den Menschen steht und wie er Ihnen aus Liebe dienen will.

 

2. In Jesus hat sich also Gott gezeigt als ein sich hingebender und hinschenkender Gott. Dies hat viele Menschen zutiefst erschüttert. Petrus mochte das nicht glauben, als Jesus ihm die Füße waschen wollte: „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“. Als sich Jesus beim Zachäus, den Oberzöllner aus Jericho, zum Essen einlud, war Zachäus ganz aus dem Häuschen, und die Leute von Jericho konnte es nicht fassen: „Bei einem Sünder ist er eingekehrt!“. Und Jesus erzählte die Geschichte vom verlorenen Sohn, der nie im Leben damit gerechnet hätte, noch einmal eine Chance beim Vater zu haben: „Mach mich zu einem deiner Knechte, denn ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen“. Und dann überhäufte der Vater den Verlorenen mit den feinsten Kleidern und spendiert eine Festmahl; während der ältere Sohn diese verschwenderische Liebe des Vaters nicht fassen konnte und sich weigerte, ins Haus zu kommen und am Festmahl teilzunehmen. Diese Offenbarung Gottes, die sich in Jesus zeigte, hat was mit den Menschen gemacht. Sie waren erschüttert, dass Gott so ist. Der Ewige neigt sich dem Vergänglichen zu; der Heilige dem Sünder; der Unfassbare lässt sich fassen und aufnehmen. Viele haben gespürt: So nah war Gott noch nie bei uns wie in Christus. Das ist das eigentlich Erstaunliche der christlichen Botschaft: ein sich um des Menschen willen klein machender Gott.

 

3. Und um dieses zugleich Erstaunliche wie auch Erschütternde geht es bei den Abschiedsreden im Johannes-Evangelium: Wie soll es jetzt weitergehen, wenn Christus nicht mehr ist? Wer bringt uns Kunde? „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Er ist der Geist der Wahrheit.“ Der Geist der Wahrheit ist der Geist der Liebe Gottes. Denn die Liebe ist die Wahrheit. Gott ist die Liebe. Was für ein Satz: Christus erbittet für uns den Geist dieser Liebe, wenn er mal nicht mehr ist. Was heißt das?

 

4. Dieselbe Liebe, die Gott angetrieben hat, sich um des Menschen willen zu entäußern, sich um des Menschen willen klein zu machen, sich um des Menschen willen zum Diener aller zu machen, dieselbe Liebe soll in uns sein. Das heißt: derselbe Geist, der Gott getrieben hat, leibhaftig zu den Menschen zu kommen, ist uns gegeben, damit er uns treibt, zu Gott zu kommen. Derselbe Geist, der Gott zu uns hingezogen hat, ist uns gegeben, damit es uns zu Gott hinzieht. Gott zieht es zu uns; und uns zieht es zu Gott. Deshalb ist uns der Geist Gottes gegeben. Deshalb: „Ich lasse euch nicht als Waisen zurück“. Denn ein Waisenkind ist jemand, der seine Eltern verloren hat und nicht mehr weiß, wo es hingehört. Wir aber wissen jetzt, wo wir hingehören: Zu Gott. Deshalb sind wir nicht als Waisen zurückgelassen.

 

5. Und spüren wir das nicht auch oft, dass es uns zu Gott hinzieht? Spüren wir das nicht, dass es uns zu Größerem hinzieht, das nicht von der Welt ist? Spüren wir das nicht, dass wir mehr wollen als was von Natur aus oder biologisch möglich wäre? Es zieht uns hin zu einer letzten Lebensfülle, wie es Gott hinzog zu unserer Niedrigkeit. Es ist derselbe Geist, der das bewirkt. Nein, wir sind nicht als Waisen zurückgelassen. 

Franz Langstein

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