10.05.2020
Joh 14,1-12
Liebe Schwestern und Brüder!
1. Vor vielen Jahren hatte ich mal in einem Kreis von Leuten einen Vortrag über das Thema: „Wachstum des Glaubens.“ Ein Teilnehmer regte sich enorm darüber auf und widersprach mir heftig: „Es gibt kein Wachstum im Glauben. Entweder man hat einen Glauben oder man hat keinen“. In gewisser Weise hatte er nicht Unrecht, und es liegt mir fern, so eine Einstellung zu disqualifizieren.
2. Es gibt eben zwei unterschiedliche Sichtweisen vom Glauben: Die eine ist in der Tat die, dass man sagt, ich besitze den Glauben. Gemeint ist meistens, dass man an Gott glaubt und an alles, was die Lehre der Kirche über Gott sagt. Diese Lehre besitzt man als die Wahrheit. Dann ist dieser Besitz eben auch etwas Statisches. Man kann aber auch Glauben verstehen als Beziehung: Dann wird der Glaube zu etwas Dynamischen. Also Glaube ist Beziehung zu Gott. Und zwar eine Beziehung, die gepflegt wird, in die man immer tiefer hineinwächst und immer neue Erkenntnisse über Gott gewinnt. In diesem Sinn wächst der Glaube, weil sich die Beziehung zu Gott ständig verändert. Das ist nicht viel anders als bei einer Beziehung unter Menschen. Man lernt sich immer mehr kennen; die Beziehung vertieft sich und verändert sich usw.
3. Wodurch verändert sich die Gottesbeziehung? Durch unsere Erfahrungen. Wir machen bestimmte Lebenserfahrungen, die wir versuchen, mit Gott in Verbindung zu bringen. Und so verändert sich unser Verhältnis zu Gott. Nehmen wir z.B. die kritischen Lebenserfahrungen eines Jugendlichen, dessen Kinderglaube plötzlich durch das Heranwachsen eines kritischen und alles hinterfragenden Verstandes zusammenkracht. Diese Lebenserfahrung zwingt ihn förmlich, neu über Gott nachzudenken. Oder nehmen wir die Erfahrungen von Schicksal und Krankheit: Diese Erfahrungen veranlassen Menschen neu darüber nachzudenken, wie man jetzt an Gott glauben kann. Unsere Lebenswege sind es, die unsere Gottesbeziehung verändern und uns wachsen lassen im Glauben. Deswegen haben wir heute im Evangelium gehört, dass Jesus sagte: „Ich bin der Weg“. Also: Wie immer eure Lebenswege aussehen und wie immer ihr neu über mich nachdenken müsst oder gar verzweifeln könntet: Ich bin der Weg, auf dem ihr mit allen euren Lebenswegen immer schon unterwegs seid. Und deshalb münden eure Lebenswege in meiner Liebe.Oder nehmen wir die Erfahrung des Zweifels. Meine Güte: Wie sehr ist unser Glaube manchmal mit Zweifel und Dunkel behaftet. Auch das sind wichtige Erfahrungen, die uns im Glauben wachsen lassen wollen. „Ist es am Ende womöglich gar nicht wahr, dass es Gott gibt?“ Und auch hier der schöne Satz im heutigen Evangelium: „Jesus sagt: Ich bin die Wahrheit“. Was immer du für wahr hältst und wo immer du zweifelst, du bist in meiner Wahrheit, wenn Du bei mir bleibst. Du bist zutiefst in der Wahrheit Gottes geborgen unabhängig, was du für wahr hältst. Und die Wahrheit Gottes ist die viel größer als deine kleine Wahrheit. Die Wahrheit Gottes ist seine Liebe.Oder schauen wir auf unser Leben. Wieviel Umbrüche, Umwege, Sackgassen gibt es da? Wieviel Sehnsucht nach erfülltem und glücklichem Leben bleibt da manchmal unerfüllt? Und Jesus sagt: „Ich bin das Leben“. D.h. du hast schon längst Anteil an der Überfülle des göttlichen Lebens. Und Du hast Anteil an einer ungeahnten viel größeren Lebensfülle als du dir das jemals vorstellen kannst.
4. Das meinte ich mit „Wachstum im Glauben“. Unsere Lebenserfahrungen bringen uns immer mehr dazu, im Glauben zu wachsen und Christus als den zu erfahren, der „Weg, Wahrheit und Leben“ ist.
Franz Langstein
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