05.07.2020
Mt 11,25-30
Liebe Schwestern und Brüder!
1. Was für ein wunderschönes und trostreiches Evangelium, das wir gerade gehört haben. Es ist wie eine Zusammenfassung dessen, was uns Jesus durch sein Leben und seine Botschaft gebracht und gesagt haben will.
2. Jesus hat bereits eine Zeit lang öffentlich gewirkt. Er hat dabei viel Zuspruch erfahren, aber auch die ersten Anfeindungen und Ablehnungen. Und Jesus erlebt dabei, dass es bestimmte Gruppen sind, die seine Botschaft ablehnen und bestimmte Gruppen, die seine Botschaft annehmen. Er betet zu Gott mit den Worten: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil da all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“. Die ihn ablehnen, nennt er: „Weise und Kluge“, die ihn annehmen, nennt er „Unmündige“. Das ist natürlich auch sehr missverständlich. Wer sind die „Weisen und Klugen“, und wer sind die „Unmündigen“?
3. Mit „Weisen und Klugen“ ist die religiöse Aristokratie gemeint. Es sind jene Menschen gemeint, die einen hohen religiösen Bildungsstand haben. Das allein ist es aber nicht. Denn religiös gebildet sein, ist ja auch etwas Wichtiges und Gutes. Deshalb kommt noch hinzu: Es sind Menschen, die aufgrund ihrer religiösen Bildung meinen, sie wüssten schon alles. Man könne ihnen nichts Neues mehr beibringen. Man könne ihnen nichts mehr vormachen. Sie wissen über Gott Bescheid. Sie haben ihre eigenen Vorstellungen und Regeln und Gottesbilder. Deshalb lehnen sie Jesus ab. Was Jesus ihnen bringt, haben sie selbst so nicht gelernt. Also kann das nicht stimmen. Ihre eigene Bildung steht ihnen im Weg. Die „Unmündigen“ sind dagegen jene, die oft keine religiöse Bildung genießen konnten, meistens Menschen vom Land. Ihnen steht keine Bildung im Weg. Sie nehmen die Botschaft Jesu an.
4. Und damit ist ein wichtiger Punkt angesprochen: Wie steht der Mensch vor Gott? Wissend, mit einer abgeschlossenen Gottesvorstellung, Bescheid wissend, wie Gott ist? Oder offen, mit keiner abgeschlossenen Gottesvorstellung, gefasst sein auf Überraschungen, mit dem Bekenntnis des Nichtwissens, vielleicht sogar mit der Erfahrung des Zweifels und des Dunkels? Wie steht der Mensch vor Gott?
5. Jesus fährt deshalb fort: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.“ Man kann über Gott kein abschließendes Wissen erlangen. Religiöse Bildung mag gut sein, aber das Entscheidende zwischen Gott und Mensch ist ein Offenbarungsgeschehen. „Niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“. Und denjenigen, die nicht über Gott Bescheid zu wissen glauben, kann sich Gott eher offenbaren als denjenigen, die eine abgeschlossene Gottesvorstellung haben.
6. Und hier sind wir jetzt bei einem wichtigen Punkt. Ich will mal sagen, dass wir hier eine Unterscheidung treffen können zwischen Religion mit all den Regeln und dem Glauben. Hat Jesus eine neue Religion bringen wollen oder den Glauben an den Gott, den er selbst verkündet hat? Ich möchte mal etwas plakativ den Unterschied zwischen einen religiösen Menschen, der den Gesetzen seiner Religion gehorcht, und einem gläubigen Menschen, der im Vertrauen auf Christi Botschaft lebt, herausstreichen:
Kurz: Der religiöse Mensch erfährt seine Religion als belastend und bedrückend, wie ein Joch. Er ist ständig voll Unruhe, Gott immer noch nicht Genüge getan zu haben. Der gläubige Mensch dagegen empfindet seinen Glauben nicht als Last, sondern er kommt zur Ruhe. Deshalb sagt Jesus abschließend: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt.“ Gemeint sind all die, denen man beigebaracht hat, dass man durch Pflichterfüllung Gottes Gnade verdienen kann. „Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ Das ist die Ruhe, die sich einstellt, wenn der Mensch darauf vertraut, dass ihm Gottes Nähe geschenkt ist. „Denn ich bin gütig und demütig von Herzen; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“.
7. Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Wie steht der Mensch vor Gott? Vertrauend, offen, nicht ängstlich, dankbar, manchmal auch zweifelnd, „unmündig“ in dem Sinn, dass er über Gott nicht Bescheid wissen will, sondern ihn einfach ungefragt und oft unbegründet ihn annimmt. So kommt der Mensch vor Gott zur Ruhe und empfängt tiefen Trost. Was für ein trostreiches Evangelium!
Franz Langstein
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